18. Juli 2014

Normcore

Das ist kein Modeblog. Aber in einem Artikel über den Normcore-Hype stand "wer keine coolen Sneaker in seiner Kollektion hat, sieht gerade reichlich alt aus." 
Das kann ich nicht unkommentiert lassen, denn ich habe keine Sneaker und keine Kollektion. Bin also ururalt. Ich ahnte es schon.
Ich gehöre zu denen, die Turnschuhe nur zum Turnen tragen, so wie Reitstiefel nur zum Reiten und Gummistiefel nur im Regen und Wanderschuhe nur zum Wandern, Flossen nur zum Schwimmen, Skischuhe ... ich denke, das Prinzip ist deutlich. Die meisten dieser Tätigkeiten habe ich inzwischen, nun ja, ersetzt. Bin ja keine 16 mehr. In diesem Alter habe ich meinen Kleidungsstil gefunden und seitdem kaum geändert. Natürlich, die kurzen Streublumenkleidchen im Trümmerfrauenlook, habe ich durch flexible Wickelkleider ersetzt. Und die Jeansjacken, Jackets und Trenchcoats vom großen Bruder mit Strickjacken und Wollmänteln in der richtigen Größe. Aber sonst habe ich mich in dem Stil gehalten, der eigentlich namenlos ist, da es damals den Begriff Vintage noch nicht gab. Erfunden habe ich das natürlich nicht. Alle, die in den Berliner 80er Jahren keine Popper, Punks oder Ökos waren, trugen das. Schuhmäßig orientierte man sich an Tangopumps und Schnürstiefeln, ich sag mal, Mary Poppins in sexy.
Horste gab es auch, jetzt nennt man das wohl Normcore. Die Horste hatten allerdings keinen Designanspruch, keine eigenen Marken und auch keine Sneaker, eher eine ungemeine Vorliebe für das Praktische, wie z.B. Aldi-Tüten als Turnbeutel und Aktenkoffer mit Zahlenschloss als Schultasche oder Armbanduhren mit Taschenrechnerfunktion. Um den Hals baumelte dem Horst entweder eine Monatskarte der Verkehrsbetriebe, eine rote Zahnspangendose, der Wohnungsschlüssel oder ein Brustbeutel mit Kleingeld für die Notfall-Telefonzelle. Vielleicht wird das auch wieder hip? 
Als Horstcore? 
Ich weiß bis heute nicht, welcher Horst eigentlich Namensgeber war, eventuell Horst Tappert
Ist jedenfalls eine rein westdeutsche Sache gewesen. Zurück zum angesagten Sneakertrend.
Ich finde Turnschuhe jeder Art im Alltag an den meisten Menschen, mich eingeschlossen, hässlich, auch wenn ich verstehe, dass es cool, lässig und angesagt für einige Stilrichtungen ist. Ich bin da modemuffelig.
Außerdem habe ich eine Maßschuhmacherlehre beim alten Carl Scheer hinter mir und weiß daher sehr genau, dass Sneakers alles andere als gesund sind. Wie auch in anderen Bereichen gilt, gesund aussehen heißt nicht gesund sein!


Normcore? Bei uns war sowas "horstig". Look at the Schlüsselbund!

Ich habe noch einen alten "Friesennerz" (gelbe Regenjacke aus Ostfriesland) im Schrank. Bin ich damit wieder in?
Zugegeben, für Turnschuhe ziemlich chic. Würde sie aber aus den genannten Gründen trotzdem nicht tragen.