8. Juli 2015

Vorurteil Stilmix

Die Innenraumgestaltung ist vielen Klischees unterworfen. 
Weit verbreitet ist z.B. die Vorstellung, mit einem Stilmix könne eine zu "designte", unpersönliche Einrichtung vermieden und ein behagliches, individuelles und geschmackvolles Zuhause geschaffen werden.
"Mixen Sie ertrödelte Funde mit Familienerbstücken, Klassikern und zeitgenössischen Entwürfen, Brüche sind anregend und erzeugen Spannung", heißt es. Das ist beruhigend, weil es scheinbar alles erlaubt und jedem gelingt. Das stimmt aber nicht.  
Statt sinnigen Ergänzungen entstehen schnell wurschtige Kuddelmuddel, und oft ist der Stilmix eine Ausrede, um sich nicht in den schwierigen Fragen nach historischen Zusammenhängen, Proportionen, persönlicher Stilprägung versus Zeitgeist usw., zu verheddern. Das ist ein weites Feld, das man gerne anderen überläßt. Auch Architekten. Die nehmen am liebsten bewährte Klassiker und lassen ansonsten den Bauherren freie Hand, um nicht ihrerseits dem Architektenklischee des despotischen Besserwissers zu entsprechen. Ich dagegegen sage den Leuten schon, was zusammen geht und was nicht, denn es geht eben nicht alles.
Aktuell kursiert dafür ein gutes Beispiel durch die Design-Newsletter, eine neu gebaute Familienvilla in der Nähe von Potsdam, die ich außen und innen hässlich finde. Das Außen lasse ich hier weg, das ist nicht mein Metier. 
Innen ist es nicht schlimm, aber auch nicht gelungen. Eher typisch, würde ich sagen.

Haus außen mit Knick, jedenfalls tolle Lage !

In den Veröffentlichungen zu dem Haus geht's gleich nervig mit der beliebten Behauptung los, es sei wichtig, Akzente aus Holz (hier Seekiefer) zu setzen, um Beton und Glas ihre kühle Härte zu nehmen. 
Wenn das Baumaterial immer gebrochen und in seiner Wirkung ausgeglichen werden soll, warum wird es dann genommen? 
Das Wohnzimmer ist in einem Stilmix aus Bauhaus (bewährt), Asiatika (weltmännisch), Gründerzeit (geerbt), Ikea (praktisch) und Fotos/Bildern (persönlich) eingerichtet. 
Könnte gehen. Sieht aber so aus:



So fad. Und was ist das für ein Tisch? Sieht wie ein Gartenklapptisch aus. 
Immerhin, auch für das offizielle Foto wurde nicht auf die persönliche Note verzichtet, dank Häkelerdbeere und lustiger Kuscheldecke. 
Das Schlafzimmer setzt dagegen auf den Kontrast von Metallbett (das soll vielleicht der Holzwand die Wärme nehmen?) und Folkore. Es wäre praktischer, die Seekiefernwand wäre gegenüber dem Bett, dann könnte man Bilder auch ganz einfach aufhängen statt nur hinzustellen, und das kühle Betongrau wie gewünscht lockern.



Die Küche besticht durch absichtliche Vermeidung praktischer Überlegungen. 



Ich mag studentischen Charme und freistehende Einzelgeräte, aber das ist kein Stil mehr, sondern was wohl am Ende des Bauvorhabens noch möglich und übrig war. Das muss man ja nicht veröffentlichen...
Das Entfernen all der seitlich abgerutschten Lebensmittel stelle ich mir lieber nicht vor. Und wie öffnet man die rechte Kastentür hinten?
Jedenfalls, die Vorstellung, eine abgebeizte Gründerzeit-Anrichte ergänze sich mit neuer Kiefernwand, Ikeamodul, üblicher Weißware, schwarzer Tafelfarbe und asiatischem Kästchen zu einem harmonischen "spannungsgeladenen" Ensemble, zeigt hier deutlich das positive Vorurteil gegenüber Stilbrüchen.